Pflerschtal-Eisenbahntrasse - Fotografische Geländetour
und abenteuerliche Erkundung im Wipptal (Südtirol)


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Fotoschau September 2004

Fotoschau Mai 2005

Landkarte (des österreichischen Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen)


Lage: Südtirol, im Wipptal zwischen Brennerbad und Gossensass am Westhang entlang des Flüsschens Eisack und des Pflerschbachs

Geo-Koordinaten nördlicher Startpunkt:
46° 58' 13,21" N, 11° 28' 18, 27" E, Höhe: ca. 1300 m

Geo-Koordinaten südwestlicher Startpunkt:
46° 57' 01,11" N, 11° 23' 41, 47" E,
Höhe: ca. 1150 m


Etwa 5 Straßenkilometer südlich des Brennerpasses beginnt eine seit Ende 1999 aufgelassene und durch einen neuen Tunnel ersetzte Eisenbahntrasse. Sie bildet ein Teilstück der 1867 eröffneten Brennerbahn. Der Bau der Brennerbahn dauerte damals drei Jahre und war eine bewunderte technische Meisterleistung des Württemberger Konstrukteurs Karl von Etzel. Sie stellt auch heute eine der wichtigsten Eisenbahnverbindungen in Europa dar. Von den 33 Millionen Tonnen Gütern pro Jahr, die über den Brenner befördert werden, übernimmt die Bahn aktuell ca. 80 %, d. h. ca. 27 Millionen Tonnen.

über ca. 8,2 km erstreckt sich am westlichen Talrand die aufgelassene Trasse der Brennerbahn-Südrampe vom nördlichen Ende südlich von Brennerbad bis zum südwestlichen Endpunkt im Pflerschtal. Die zweispurigen Gleise wurden auf der gesamten aufgelösten Strecke abgebaut. Einige der alten Signale sind stehengeblieben und wirken seltsam deplaziert in der Landschaft ohne die dazugehörigen Gleise. Der Abbau der Gleise hat die Oberfläche des grobschottrigen Bahndamms aufgelockert. Dieser gelockerte Bahnschotter ist an einigen Stellen, vor allem in den beiden dunklen Galerien schwierig mit (Gelände-) Autos und (Enduro-) Motorrädern zu befahren (Denzel-Schwierigkeitsgrad 4) und nur geübten Fahrern zu empfehlen. Wegen des groben Schotters haben Fahrradfahrer hier wenig Spaß.

Eisenbahnen können nur sehr geringe Steigungen überwinden. Diese Eigenschaft hat bedeutende Folgen für die Trassierung im bergigen Gelände, sie kann ohne aufwändige Tunnels nur in enger Anlehnung an die Höhenlinien verlaufen. Besonders an in das Haupttal einmündenden Seitentälern wie hier dem Pflerschtal führt dies zu Konstruktionsproblemen. Die gesamte Brennerbahn besitzt zur Überwindung des 1371 Meter hohen Brennerpasses nur eine maximale Steigung von 25 Promille, also 25 Meter Höhe pro Kilometer Länge! Zwischen dem nördlichen Ende bei Brennerbad (1300 Meter Höhe) und dem südlichen im Pflerschtal (1150 Meter Höhe) überwindet die aufgelassene Trasse auf der gesamten Länge von 8,2 km nur etwa 150 Meter Höhe. Dies ergibt eine durchschnittliche Steigung von 18 Promille.

Die Strecke ohne nennenswerte Steigung bietet lohnende Ausblicke auf die umliegenden auch im Sommer schneebedeckten Berge und hinunter in das Wipptal mit dem Flüsschen Eisack und das Pflerschtal mit dem Pflerschbach. Sie führt durch unberührte Natur mit Bergwiesen, Wäldern und schönen Blumen. An verschiedenen Stellen zweigen Bergwanderwege ab, z. B. zum Grubenjoch und zum Portjoch. An einem Punkt verläuft die Trasse aber auch direkt neben der aufgestelzten Brenner-Autobahn.

Einige der entlang der ehemaligen Eisenbahn einsam gelegenen Bahnwärter-Häuschen finden bei Südtiroler Jugendlichen eine neue Nutzung als mit einfachen Mitteln selbst gestaltete Freizeithütten. Verschiedene Gruppen scheinen sich leider auch zu bekämpfen und zerstören gegenseitig die mit großem Einsatz umgebauten Quartiere.

Etwa in der Mitte der Trasse liegt der aufgelöste Bahnhof Schelleberg. Hier quert die kleine Straße zum Sandjöchl und zur Wechselalm an einem ehemaligen Eisenbahn-Übergang.

Am südwestlichen Ende der Tour entlang der aufgelassenen Trasse setzt der (alte) unbeleuchtete "Pflersch-Tunnel" mit seiner ca. 760 Meter langen unterirdischen Kurve den Höhepunkt der Tour. Dieser sogenannte "Kehrtunnel" war eine der erstmals eingesetzten technischen Errungenschaften bei der Konstruktion der Brennerbahn. Die Trasse wendet an dieser Stelle der Südrampe im Pflerschtal in 1170 Metern Höhe (Osteingang) auf engstem Raum um volle 180 Grad. Davon sind etwa 70 Grad unterirdisch realisiert. Der Wenderadius beträgt etwa 280 Meter. Seine Entsprechung findet dieser Kehrtunnel auf der Nordrampe der Brennerbahn im Schmirntal östlich von St. Jodok.

Nahe des westlichen Endes bricht jetzt ein Gerinne durch die Tunneldecke des alten Pflersch-Tunnels. Das eindringende Wasser formt im Winter und Frühling schöne Eiswasserfälle und einen dicken, sehr glatten und für Fahrzeuge nur sehr vorsichtig zu überwindenden Eispanzer auf der leicht abwärts geneigten Tunnelsohle.

Für die Verlagerung der Trasse im Wipptal und Pflerschtal stellt der alte Tunnel einen wesentlichen Grund dar. Sein kleiner Querschnitt und die Enge der Kehre bildeten lange Zeit einen Engpass für die Kapazität der Brennerbahn mit ihrem modernen ROLA-Verkehr. Verladene Lastwagen und Groß-Container sind heute zu sperrig für die alte Trasse. Das sehr hohe und weiter wachsende Verkehrsaufkommen auf der Brennerbahn erzwang daher schon vor der Realisierung des geplanten Brenner-Basistunnels eine Erhöhung der Kapazität. Dafür wurde zwischen Brennerbad und Pflerschtal ein neuer Pflersch-Tunnel von 7,3 km Länge und mit größerem Querschnitt erbaut und Ende 1999 in Betrieb genommen. Dadurch konnte die Kapazität der Brennerbahn um 47 Prozent von 150 auf 220 Züge pro Tag erhöht werden. Die Strecke durch den neuen Pflersch-Tunnel mündet nur ca. 300 Meter südlich des alten Tunnels kurz vor dem ehemaligen Haltepunkt Pflersch wieder in die alte Trasse ein und führt weiter zum nahen (aktiven) Bahnhof Gossensass.

Neue Pläne gibt es bereits für die Zukunft dieses großen Kleinods: Im November 2004 hat die Südtiroler Landesregierung beschlossen, das Gelände der alten Trasse mit 65 Hektar Fläche von der staatlichen italienischen Eisenbahn für 2,28 Millionen Euro zu kaufen um dort einen Fahrrad-Wanderweg zu bauen. Vorerst (Juni 2008) ist von diesem Projekt noch nichts zu sehen. Vielleicht ist der gegenwärtige Zustand ja auch der beste: Die Natur holt sich ganz langsam das plötzlich brachliegende Kulturland zurück.



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